Ein Erdbeben müsste die Magnitude des historischen Bebens im Jahr 1956 auf der griechischen Insel Amorgos erreichen – also etwa 7,7 auf der Richterskala –, um Auswirkungen auf Zypern zu haben. Dies erklärte Emmanuel Scordilis, Professor für Seismologie an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, im Gespräch mit der Cyprus News Agency (CNA).
Der Professor äußerte sich damit zur jüngsten seismischen Aktivität in der Region um die Insel Santorin. Das Gebiet im Meer, das sich zwischen Santorin und Amorgos erstreckt, weist seit Ende Januar/Anfang Februar eine Serie von Erdbeben auf. Hunderte Erschütterungen wurden registriert, von denen mehrere eine Magnitude von über 4 auf der Richterskala erreichten, einige sogar über 5.
Scordilis verdeutlichte, dass hier offenbar eine Bruchzone aktiviert wird, die in nordöstlicher Richtung verläuft. Diese Linie, so führte er aus, befindet sich in der Meeresregion zwischen Amorgos und Santorin und beherbergt eine Reihe größerer Verwerfungen. Eine dieser Verwerfungen war bereits im Jahr 1956 verantwortlich für ein Erdbeben der Magnitude 7,7.
„Man kann beobachten, dass dort eine Serie von relativ großen Verwerfungen liegt. Eine davon hatte 1956 das große Erdbeben mit einer Stärke von 7,7 ausgelöst.“
(Prof. Emmanuel Scordilis)
Allerdings betonte Scordilis zugleich, dass nach derzeitigem Kenntnisstand kein plausibles Szenario für ein ähnlich starkes Erdbeben in naher Zukunft bestehe. Zwar sei ein Beben über Magnitude 6 hier durchaus möglich, doch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines „großen“ Bebens in der Größenordnung von 7,7 bezeichnete er als eher gering.
Aktuelle Erdbeben und mögliche Fernwirkung
Auf die Frage, ob eine erhöhte seismische Aktivität in besagter Verwerfung auch andere benachbarte oder regional gelegene Verwerfungen beeinflussen könne – insbesondere jene, die für Zypern von Bedeutung wären –, antwortete der Professor, dass eine Beladung einer Verwerfung mit Spannungen grundsätzlich durch kleinste Bewegungen ausgelöst oder verändert werden könne. Theoretisch könnte also auch eine vergleichsweise entfernte Region betroffen sein, wenn ihre Verwerfung bereits kritische Stresstoleranz erreicht habe.
Er fügte hinzu, dass es für Seismologie-Experten jedoch überaus schwierig sei, detaillierte Angaben über den aktuellen Zustand jeder einzelnen Verwerfung zu machen. In der Region der Ägäis und im östlichen Mittelmeer gebe es viele geologische Störungssysteme, deren genauer Stresszustand sich nicht beliebig präzise messen oder vorhersagen lasse.
„Es ist nicht einfach, den Zustand jeder Verwerfung in diesem Gebiet genau zu kennen. Auch ein geringer Impuls kann möglicherweise eine größere Reaktion in einer anderen Störung auslösen, wenn diese bereits ‚aufgeladen‘ ist.“
(Prof. Emmanuel Scordilis)
Zypern und das Risiko starker Beben
Dennoch erklärte der Seismologe, dass Zypern und die östliche Mittelmeerregion „nur durch ein Erdbeben vergleichbar mit jenem von Amorgos 1956“ beeinflusst werden könnten. Ein Ereignis dieser Stärke könnte Flutwellen (Tsunamis) nach sich ziehen und sich nicht nur lokal, sondern auch auf weiter entfernte Küstenregionen auswirken. Er betonte jedoch, dass er dies für eher unwahrscheinlich halte.
Seine Einschätzung beruht auf mehreren Faktoren:
- Historische Erdbebenzyklen: Besonders heftige Erdbeben treten auf bestimmten Verwerfungen typischerweise in sehr langen Zeitintervallen auf. Dass sich der gleiche Bruch innerhalb weniger Jahrzehnte erneut extrem stark manifestiert, gilt als selten.
- Abklingende Spannungszustände: Die mit dem Amorgos-Beben 1956 freigesetzten Kräfte haben die Verwerfungsstrukturen in der Regel derart verändert, dass erneute Beben in derselben Stärke kurzfristig weniger wahrscheinlich sind.
- Begrenzte regionale Kopplung: Obwohl es Wechselwirkungen zwischen Verwerfungen gibt, lösen Erdbeben nur dann fernliegende Beben aus, wenn bereits eine hochgradige Spannungssituation in anderen Regionen vorhanden ist.
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Mehr InformationenZusammenfassung der seismischen Situation:
Aktivität zwischen Santorin und Amorgos:
- Seit Ende Januar/Anfang Februar gab es dort Hunderte Erdbeben.
- Einige erreichten Magnituden von über 4 und 5 auf der Richterskala.
- Ursache ist eine nordöstlich verlaufende Verwerfungslinie im Meer zwischen den beiden Inseln.
- Ein Teil davon war 1956 Ausgangspunkt eines Bebens der Stärke 7,7.
Aktuelle Prognosen und Gefahreneinschätzung:
- Laut Prof. Scordilis ist die Wahrscheinlichkeit für ein aktuelles Beben von ähnlicher Größe (7,7) gering.
- Theoretisch könnten aber Beben mit einer Magnitude oberhalb von 6 auftreten.
Einfluss auf Zypern:
- Zypern könne nur im Fall eines starken Bebens vergleichbar zur Stärke von 1956 in Mitleidenschaft gezogen werden.
- Ein schwächeres Beben würde kaum Auswirkungen bis in den Osten des Mittelmeers haben.
- Die gegenwärtigen seismischen Aktivitäten seien daher für die Insel eher unbedenklich.
Entfernte Wirkungen: Wie sicher ist Zypern?
Die Frage, wie leicht ein Beben mehrere hundert Kilometer entfernte Küsten beeinflussen kann, lässt sich nicht pauschal beantworten. Tsunamis beispielsweise entstehen in der Regel durch abrupte Meeresbodenbewegungen entlang einer großen Verwerfung. Je stärker die vertikale Versetzung, desto größere Wellen können sich entwickeln. So gilt das Erdbeben von Amorgos 1956 als eines der stärksten Erdbeben der ägäischen Region im 20. Jahrhundert, das nachweislich Flutwellen auslöste.
Heutzutage verfügt man allerdings über umfangreichere Messnetze und Frühwarnsysteme. Sollte sich ein starkes Seebeben ereignen, wären Frühwarnungen für die Region Zypern denkbar, sodass rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden könnten.
Ausblick und Expertenmeinungen zur weiteren Entwicklung
„Ich halte das Auftreten eines sehr großen Bebens in der derzeitigen Situation für eher unwahrscheinlich.“ – Mit diesen Worten fasste Professor Scordilis sein Fazit gegenüber der Cyprus News Agency zusammen. Gleichwohl ist es charakteristisch für die Seismologie, dass sich Erdbeben nicht exakt vorhersehen lassen. Man kann lediglich Wahrscheinlichkeiten und mögliche Szenarien aufzeigen.
Weitere Experten, darunter Geologen und Ozeanografen, beobachten derweil weiterhin die vulkanische und seismische Entwicklung um Santorin, eine der aktivsten Vulkangegenden Griechenlands. Kleinere Erdbeben oder Schwarmbeben werden hier regelmäßig aufgezeichnet und untersucht, um besser zu verstehen, ob es sich um typische, weitgehend ungefährliche Spannungsentladungen handelt oder ob größere Beben zu erwarten sind.
Empfehlungen für die Bevölkerung
- Ruhe bewahren: Weder für Griechenland noch für Zypern gibt es gegenwärtig eine offizielle Warnung vor größeren Erdbeben.
- Information und Vorsorge: Dennoch empfiehlt es sich, grundlegende Kenntnisse über Erdbebenverhalten und Notfallpläne zu haben.
- Seriöse Quellen heranziehen: Bewohner und Reisende sollten sich auf Mitteilungen anerkannter Institutionen wie des Geodynamischen Instituts Athen, der Aristoteles-Universität Thessaloniki oder offizieller Behörden verlassen, um aktuelle und überprüfte Informationen zu erhalten.
Fazit
Obwohl das Seegebiet zwischen Santorin und Amorgos in den letzten Wochen eine auffällige Häufung von Erdbeben verzeichnet, besteht nach Ansicht von Prof. Scordilis keine akute Gefahr, dass sich bald ein Beben ähnlicher Stärke wie 1956 ereignen wird. Sollte es dennoch zu einem sehr kräftigen Erdbeben in dieser Zone kommen, könnte dies theoretisch auch weiter entfernte Regionen wie Zypern spürbar betreffen – insbesondere durch mögliche Tsunami-Auswirkungen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür erachtet der Experte jedoch als gering.
„Cyprus, like the Eastern Mediterranean region more broadly, could only be affected in the event of an earthquake of an intensity comparable to that of 1956.“
(Prof. Emmanuel Scordilis, CNA)
Insgesamt illustriert die Situation, wie komplex und vernetzt die geologischen Strukturen im Mittelmeerraum sind. Auch wenn große Erdbeben selten auftreten, verdeutlichen sie die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Monitorings, einer guten wissenschaftlichen Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg und einer effektiven Katastrophenvorsorge – speziell in Staaten wie Griechenland und Zypern, die in seismisch aktiven Zonen liegen.
Textquelle: Cyprus News Agency (CNA)