Parlament verabschiedet letzten Haushalt vor den Wahlen – Rekordmehrheit, klare Akzente und strategische Signalwirkung
Mit der Verabschiedung des Staatshaushalts für das Jahr 2026 hat das zyprische Parlament am Mittwoch einen politisch wie wirtschaftlich bedeutsamen Schlusspunkt unter die laufende Legislaturperiode gesetzt. Der Haushalt wurde im Plenum des Repräsentantenhauses mit 37 Ja-Stimmen bei 19 Gegenstimmen angenommen und stellt damit den letzten Haushalt der aktuellen Parlamentszusammensetzung dar, bevor im Mai 2026 Parlamentswahlen stattfinden.
Die Abstimmung markiert nicht nur einen formalen Abschluss, sondern ist zugleich Ausdruck einer außergewöhnlich breiten parlamentarischen Zustimmung, wie sie in der Haushaltsgeschichte der Republik Zypern nur selten zu beobachten war. Unterstützt wurde der Haushalt von den Parteien DISY, DIKO, ELAM, DIPA und EDEK sowie von den unabhängigen Abgeordneten Andreas Themistokleous, Michalis Yiakoumi und Andreas Apostolou. Gegen den Haushalt stimmten AKEL, die Grünen, der sozialistische Abgeordnete Kostas Efstathiou sowie die unabhängige Abgeordnete Alexandra Attalides.
Damit reiht sich der Haushalt 2026 in eine bemerkenswerte Serie ein: Auch die Haushalte für 2024 und 2025 erhielten jeweils 37 Stimmen und zählen laut Finanzministerium zu den zustimmungsstärksten Staatshaushalten seit der Gründung der Republik im Jahr 1960.
Politischer Kontext: Ein Haushalt am Ende der Legislaturperiode
Die Verabschiedung des Haushalts 2026 erfolgt in einer politisch sensiblen Phase. Es handelt sich um den letzten regulären Staatshaushalt, den das gegenwärtige Parlament beschließt, bevor sich die politische Landschaft im Zuge der kommenden Wahlen neu ordnet. Entsprechend hoch war die symbolische Bedeutung der Abstimmung – sowohl für die Regierung von Präsident Nikos Christodoulides als auch für die beteiligten Parteien.
Der Haushalt ist zugleich der dritte Haushalt, den die aktuelle Regierung eingebracht hat, und wird von offizieller Seite als konsistent, verantwortungsvoll und entwicklungsorientiert beschrieben. Während in Wahljahren in vielen Ländern eine expansive oder populistisch geprägte Fiskalpolitik zu beobachten ist, betont das Finanzministerium in Zypern ausdrücklich, dass auch der Haushalt 2026 überschussorientiert, fiskalisch stabil und strukturell ausgewogen ausgestaltet sei.
Zahlen und Eckdaten: Umfang und Struktur des Haushalts 2026
Der verabschiedete Staatshaushalt für 2026 sieht Gesamtausgaben in Höhe von 13,7 Milliarden Euro vor. Damit liegt er deutlich über dem Budget des Jahres 2025, das sich auf 12,9 Milliarden Euro belief. Der Anstieg reflektiert sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch gezielte politische Schwerpunktsetzungen.
Entwicklungsausgaben als zentraler Pfeiler
Besonders hervorgehoben wird die Steigerung der Entwicklungsausgaben um 4,7 %. Allein für Bau- und Infrastrukturprojekte sind rund 408,5 Millionen Euro vorgesehen. Diese Investitionen betreffen unter anderem:
Verkehrsinfrastruktur
öffentliche Gebäude
regionale Entwicklungsprojekte
Maßnahmen zur Stärkung strukturschwächerer Regionen
Die Regierung verfolgt damit das Ziel, langfristige Wachstumspotenziale zu sichern und zugleich Beschäftigung und private Investitionen zu stimulieren.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSozialpolitik im Fokus: Deutliche Ausweitung sozialer Leistungen
Ein weiterer zentraler Schwerpunkt des Haushalts 2026 liegt im sozialpolitischen Bereich. Die Ausgaben für Sozialleistungen steigen um 6,7 %, was die fortgesetzte Priorisierung des sozialen Ausgleichs unterstreicht.
Gesundheit, Bildung und Existenzsicherung
Im Einzelnen sind vorgesehen:
1,03 Milliarden Euro für Gesundheitsleistungen, insbesondere im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems
206,3 Millionen Euro für Bildungsleistungen
205,7 Millionen Euro für das garantierte Mindesteinkommen (GMI)
Diese Mittel sollen nicht nur bestehende Leistungen absichern, sondern auch deren Qualität und Reichweite verbessern.
Neuer Meilenstein: Pflegezulage für Menschen mit Behinderungen
Erstmals enthält der Haushalt eine explizite Pflegezulage für Menschen mit Behinderungen. Für das Jahr 2026 sind hierfür 26 Millionen Euro eingeplant. Das Finanzministerium kündigte an, diesen Betrag schrittweise zu erhöhen, sodass er bis 2028 auf 45 Millionen Euro anwachsen soll.
Diese Maßnahme wird als wichtiger sozialpolitischer Paradigmenwechsel gewertet, da sie die staatliche Unterstützung stärker an individuellen Pflegebedarfen ausrichtet und Familien entlastet.
Parlamentarischer Prozess: 92 Änderungsanträge und politische Reibung
Der parlamentarische Beratungsprozess zum Haushalt 2026 war intensiv. Insgesamt wurden 92 Änderungsanträge eingebracht, von denen 31 angenommen wurden.
Privatisierungsstopp als politisches Signal
Besonders hervorzuheben ist eine mehrheitlich beschlossene Änderung, die vorsieht, sämtliche Ausgaben im Zusammenhang mit Privatisierungen öffentlicher Organisationen, staatlicher Unternehmen sowie staatlicher Dienstleistungen zu streichen.
Ausgenommen von diesem generellen Privatisierungsstopp sind lediglich:
Projekte zur Entwicklung der Troodos-Region
Ausgaben im Zusammenhang mit der Zypern-Börse
Investitionen rund um die Marina von Larnaka
Diese Entscheidung ist politisch hoch brisant und reflektiert eine kritischere Haltung gegenüber Privatisierungen, selbst innerhalb eines Parlaments mit überwiegend wirtschaftsnahen Parteien.
Reaktionen des Finanzministeriums: Zufriedenheit und historischer Vergleich
Das Finanzministerium begrüßte die Annahme des Haushalts ausdrücklich und sprach von einem konstruktiven Dialog sowie einem hohen Verantwortungsbewusstsein der Abgeordneten während der Beratungen.
In einer gesonderten Mitteilung hob das Ministerium hervor, dass die Haushalte 2024, 2025 und 2026 mit jeweils 37 Stimmen die höchste Zustimmung in der Geschichte der Republik Zypern erhalten hätten. Traditionell seien Staatshaushalte in Zypern häufig nur mit knappen Mehrheiten von 28 bis 30 Stimmen verabschiedet worden.
Diese Entwicklung wertet das Ministerium als Zeichen:
politischer Stabilität
fiskalischer Glaubwürdigkeit
breiter Akzeptanz der wirtschaftspolitischen Linie
Ausblick: Offene Reformen und politisch sensible Entscheidungen
Trotz der Haushaltsverabschiedung stehen dem Parlament noch wichtige Entscheidungen bevor. Am Montag, dem 22. Dezember, wird das Repräsentantenhaus erneut zusammentreten, um über zwei zentrale Reformvorhaben abzustimmen:
Gesetz zur Bewertung von Lehrkräften
Umfassende Steuerreform
Beide Themen gelten als politisch sensibel und gesellschaftlich stark umstritten. Ihre Behandlung unmittelbar vor Jahresende und vor dem Wahljahr unterstreicht die Ambition der Regierung, strukturelle Reformen nicht aufzuschieben, sondern noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode umzusetzen.
Fazit: Ein Haushalt mit Signalwirkung
Der Staatshaushalt 2026 ist weit mehr als ein technisches Zahlenwerk. Er ist:
ein politisches Abschlussdokument der laufenden Legislatur
ein Signal an Märkte, Investoren und Ratingagenturen
ein gesellschaftspolitisches Bekenntnis zu Stabilität, sozialem Ausgleich und nachhaltigem Wachstum
Die ungewöhnlich breite parlamentarische Zustimmung verleiht dem Haushalt zusätzliches Gewicht. Gleichzeitig zeigen die verabschiedeten Änderungsanträge, dass gesellschaftliche Debatten über Privatisierung, soziale Gerechtigkeit und staatliche Verantwortung weiterhin lebendig bleiben.
Mit dem Haushalt 2026 positioniert sich Zypern – zumindest fiskalisch – als stabiler, reformorientierter und sozial ausgewogener EU-Mitgliedstaat, der den Übergang in eine neue politische Phase mit klaren Prioritäten vorbereitet.
