Das Monitoring des Drogenkonsums anhand von Abwasseranalysen ist in den vergangenen Jahren zu einem unverzichtbaren Instrument geworden, um in Echtzeit Einblicke in das Konsumverhalten einer großen Zahl von Menschen zu erlangen. Das European Union Drugs Agency (EUDA) (ehemals EMCDDA) veröffentlicht regelmäßig Berichte, in denen die Ergebnisse einer europaweiten Analyse präsentiert werden. Die neueste Untersuchung, die im Frühjahr 2024 durchgeführt wurde, umfasste 128 Städte in 26 europäischen Ländern (darunter 24 EU-Staaten, Norwegen und die Türkei) und untersuchte die Konzentrationen verschiedener illegaler Substanzen in den kommunalen Abwässern.
Aus den jüngsten Resultaten ergibt sich ein Anstieg beim Nachweis von MDMA, Kokain und Amphetamin im Vergleich zu 2023 sowie ein Rückgang von Cannabis. Obwohl sich die Ergebnisse in den teilnehmenden Städten teils deutlich unterscheiden, ist bemerkenswert, dass fast alle untersuchten Drogen (Amphetamin, Kokain, Methamphetamin, MDMA/Ecstasy, Ketamin und Cannabis) in beinahe jeder Stadt nachgewiesen werden konnten.
Zypern, das inzwischen regelmäßig an dieser europaweiten Studie teilnimmt, zeigt ein facettenreiches Bild. Auffällig sind vor allem steigende Werte für Kokain in Larnaka, eine leichte Zunahme von Methamphetamin in Nikosia und Larnaka sowie eine starke Zunahme von Cannabis im Bezirk Famagusta.
Hintergrund der Studie und Methodik
Ziel der Abwasseranalyse
Anstatt sich auf Befragungen oder Polizeiberichte zu stützen, bietet die Abwasseranalyse (Wastewater-based epidemiology) eine objektive und anonyme Momentaufnahme des Drogenkonsums in einer Stadt oder Region. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass die im Abwasser gemessenen Metaboliten direkt Auskunft darüber geben, welche Substanzen in welchem Umfang konsumiert werden.SCORE-Gruppe und EUDA
Die Forschung wird im Rahmen der SCORE-Gruppe (Sewage analysis CORe group) in Kooperation mit der EUDA durchgeführt. Das Projekt zielt darauf ab, eine vergleichbare Datenbasis in verschiedenen europäischen Ländern zu schaffen, um Langzeittrends zu erkennen und nationale Präventions- und Interventionsstrategien zu unterstützen.Ablauf
- Probenahme: Im Frühjahr 2024 (auch in vorherigen Jahren) wurden über eine Woche hinweg täglich Abwasserproben aus den städtischen Kläranlagen entnommen.
- Laboranalysen: Die Proben wurden in Speziallaboren auf Rückstände von Amphetamin, Kokain, Methamphetamin, MDMA (Ecstasy), Ketamin und Cannabinoiden untersucht.
- Auswertung: Unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl, des täglichen Abwasserflusses und anderer Faktoren werden die rückgerechneten Konsummengen pro 1.000 Einwohner ermittelt.
Rolle Zyperns
In Zypern kooperieren der Nireas International Water Research Centre der Universität Zypern und die Cyprus National Addictions Authority (CNAA). Erstere liefert die wissenschaftlich-technische Expertise bei der Probenahme und -analyse, während die CNAA als koordinierende Stelle fungiert, um die Ergebnisse in nationale Strategien einzubetten.
Europaweite Trends: Anstieg bei Stimulanzien, Rückgang bei Cannabis
Ergebnisse des Berichts:
MDMA
- Europaweit gestiegene Konzentrationen im Abwasser.
- Deutet auf eine gesteigerte Popularität im Partyumfeld oder bei Freizeitkonsumenten hin, insbesondere am Wochenende.
Kokain
- Ebenfalls deutlich im Aufwärtstrend.
- Viele Städte verzeichnen höhere Belastung im Abwasser als noch 2023.
Amphetamin
- Mit Zunahmen in vielen Städten, obwohl das Niveau oft unter dem von Kokain liegt.
- Amphetamin wird teils als kostengünstigere Alternative zu Kokain angesehen, was einen Grund für wachsende Beliebtheit sein könnte.
Methamphetamin
- Unterschiedliche Muster: In einigen Regionen (z. B. Tschechien, Slowakei) traditionell höher, während in Westeuropa (darunter Zypern) insgesamt niedrige Werte gemeldet werden – allerdings leichte Zunahmen.
Ketamin
- Erhöhtes Aufkommen in vielen Ländern, jedoch variiert das Niveau stark zwischen den Städten.
Cannabis
- Einziger starker Abwärtstrend im Jahresvergleich. Dennoch nach wie vor am weitesten verbreitete Droge, was sich mit anderen EU-Statistiken deckt.
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Mehr InformationenBesonderheiten in Zypern
Aus der Sicht des Nireas Water Research Centre und der CNAA wurden folgende Schwerpunkte identifiziert:
Kokain
- Insgesamt niedriger als im EU-Durchschnitt, doch Larnaka zeigt mit +40 % eine markante Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. In anderen Städten bleibt das Niveau nahe dem Stand von 2023.
Methamphetamin
- Über die letzten Jahre war eine aufsteigende Tendenz in Zypern zu beobachten. 2024 ist das Bild gemischt: Während Nikosia und Larnaka einen leichten Zuwachs haben, verzeichnen andere Regionen rückläufige Zahlen.
Cannabis
- Besonders im Bezirk Famagusta stieg der nachgewiesene Gehalt deutlich an. Dies könnte mit veränderten Konsumgewohnheiten oder lokalen Faktoren (z. B. touristische Aktivitäten) zusammenhängen.
Amphetamin
- Zypern bleibt im europäischen Vergleich auf relativ niedrigem Niveau. Dennoch ist der leichte Anstieg im Einklang mit den Trends aus anderen Regionen Europas.
MDMA
- In Zypern wurden sehr geringe Werte gemessen, also kaum Veränderungen oder erhöhte Nachweise. Das korrespondiert nicht unbedingt mit dem gesamteuropäischen Trend (Anstieg).
Wochenend-Effekte
Wie in vielen Städten beobachtet, registriert man in Zypern an Freitagen und Samstagen erhöhte Konzentrationen bestimmter Substanzen, was auf Freizeit- und Party-Kontexte schließen lässt.
Interpretation und Perspektiven
Erfolge und Herausforderungen
Der Rückgang von Cannabis im gesamteuropäischen Vergleich bei gleichzeitiger Zunahme von Stimulanzien wie Kokain oder Amphetamin spiegelt eine mögliche Verschiebung in den Konsummustern. Mögliche Gründe sind Preisentwicklungen, Verfügbarkeit, Veränderungen im Freizeitverhalten oder polizeiliche Maßnahmen.Zypern im Kontext
Dass Zypern bei Kokain und Amphetamin noch relativ niedrig liegt, kann positiv gedeutet werden. Dennoch deutet der signifikante Anstieg in Larnaka und die erwähnten Tendenzen bei Methamphetamin auf ein wachsendes Problem hin.Nutzen der Abwasserdaten
Das Projekt liefert detaillierte Informationen fast in Echtzeit. Politik, Polizei und Gesundheitseinrichtungen können auf dieser Basis gezielt Präventions- und Aufklärungsprogramme durchführen. Auch evaluiert man so die Wirksamkeit bestehender Strategien: Ein Rückgang gewisser Substanzen kann beispielsweise als Erfolg gedeutet werden, wenn er parallel zu neuen Kampagnen auftritt.Ausblick
- Langfristiges Monitoring: Nur durch wiederholte Messungen lassen sich Trends zuverlässig erkennen.
- Verstärkte Zusammenarbeit: Indem die CNAA, die Universität Zypern und europäische Partner eng kooperieren, soll Zypern rasch reagieren können, wenn neue Drogen auftauchen oder sich Konsummuster erneut verschieben.
- Sozialpolitische Maßnahmen: Neben der Verfolgung krimineller Netzwerke ist eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie die Unterstützung Abhängiger wichtig, um Missbrauch einzudämmen.
Abschließende Gedanken
Die Abwasseranalysen zeigen, dass Drogenkonsum in Europa nicht nur variabel, sondern auch zunehmend komplex ist. Veränderungen im Drogenmarkt, globale Ereignisse (z. B. Pandemie, Wirtschaftskrisen) und kulturelle Entwicklungen können den Konsum bestimmter Substanzen ansteigen oder sinken lassen.
Für Zypern ist das Identifizieren von Hotspots (wie Larnaka für Kokain) sowie das Beobachten steigender Substanzen (z. B. Methamphetamin) ein essenzieller Schritt, um rechtzeitig und differenziert reagieren zu können – sowohl mit polizeilichen als auch mit präventiv/therapeutischen Maßnahmen. Die Wissenschaft liefert fundierte Daten und kann so einen starken Beitrag in der Politikberatung leisten. Letztlich ist das Ziel, nicht nur Zahlen zu benennen, sondern das Wohl der Bevölkerung zu schützen und zu fördern.
Quellen
- Bericht der European Union Drugs Agency (EUDA)
- Pressemitteilung der Cyprus National Addictions Authority (CNAA)
- Informationen des Nireas International Water Research Centre, University of Cyprus
- Meldung der Cyprus News Agency (CNA/ZSO/AGK/2025)