Die zyprische Bildungsministerin Athena Michaelidou hat beim Jahrestreffen der Weltkonferenz der zyprischen Diaspora in Nikosia ein starkes Signal gesetzt: Bildung sei nicht nur ein Werkzeug zur Wissensvermittlung, sondern vor allem auch ein Mittel zur Identitätsbewahrung, zur kulturellen Integration und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit klaren Maßnahmen und einem umfassenden Förderansatz bekräftigte die Ministerin das Engagement des zyprischen Staates für die Unterstützung der im Ausland lebenden Gemeinschaften sowie der enclaved Greek Cypriots, die seit über fünf Jahrzehnten unter schwierigen Bedingungen im besetzten Norden der Insel leben.
1. Die Rolle der Diaspora im Bildungsbereich
Zypern ist ein kleines Land mit einer großen weltweiten Gemeinschaft. Hunderttausende Zyprerinnen und Zyprer leben und arbeiten in der Diaspora, vor allem im Vereinigten Königreich, Australien, den USA, Griechenland und Deutschland. Für viele Familien ist es eine Herzensangelegenheit, dass ihre Kinder trotz räumlicher Distanz zu Zypern die griechische Sprache erlernen und die kulturellen Wurzeln pflegen.
Michaelidou unterstrich in ihrer Rede, dass die „griechisch-zyprischen Schulen im Vereinigten Königreich in einer positiven Entwicklung begriffen sind“. Die dortigen Bildungseinrichtungen seien ein wertvoller Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches. Sie würden nicht nur Sprachkompetenz, sondern auch Werte, Traditionen und ein Stück Heimat vermitteln.
Der zyprische Staat wolle diese Entwicklung aktiv unterstützen. „Wir werden die Bemühungen der Diaspora weiterhin fördern, um die Gemeinschaftsbildung zu stärken und die täglichen Herausforderungen in der Bildungspraxis besser zu meistern“, so die Ministerin.
2. Konkrete Maßnahmen: Förderung und Erleichterungen
Die Regierung setzt dabei nicht nur auf symbolische Gesten, sondern auf konkrete Unterstützung. Michaelidou nannte in Nikosia mehrere Maßnahmen, die bereits beschlossen und teilweise schon umgesetzt sind:
Kostenlose Griechischkurse für Repatriierte und ihre Ehepartner: Damit soll die Rückkehr nach Zypern erleichtert werden. Viele Rückkehrer, die lange im Ausland gelebt haben, fühlen sich sprachlich unsicher. Durch kostenlose Sprachprogramme wird Integration gefördert und zugleich die familiäre Weitergabe der Sprache gesichert.
Erhöhung des Zuschusses für Privatschulen: Der Zuschuss für den Besuch einer privaten Sekundarschule wurde von 768 Euro auf 1.000 Euro pro Jahr angehoben. Damit wird Familien der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erleichtert.
Gelockerte Anforderungen für Förderungen: Bisher mussten Bewerber mindestens zehn Jahre im Ausland gelebt haben, um Anspruch auf bestimmte Unterstützungsleistungen zu haben. Diese Hürde wird nun auf sieben Jahre reduziert, um mehr Familien den Zugang zu ermöglichen.
Diese Maßnahmen zeigen, dass Bildungspolitik auch Familienpolitik ist. Sie erleichtern nicht nur die Integration von Rückkehrern, sondern sichern auch langfristig den kulturellen Zusammenhang zwischen Zypern und seiner Diaspora.
3. Schulen in den Enklaven – ein historisches Kapitel
Ein besonders sensibles Thema betrifft die sogenannten enclaved Greek Cypriots. Nach der türkischen Invasion im Jahr 1974 blieben etwa 20.000 griechisch-zyprische Einwohner in den von der Türkei besetzten Gebieten zurück. Heute sind es nur noch wenige Hundert. Ihre Rechte sind massiv eingeschränkt: Bewegungsfreiheit, Religionsausübung und insbesondere Bildung unterliegen harten Restriktionen des Besatzungsregimes.
Umso bemerkenswerter ist die Nachricht, dass mehrere Schulen in den Enklaven in den letzten Jahren wieder geöffnet wurden:
Rizokarpaso Gymnasium: 2024 öffnete die sechsklassige Schule erstmals seit 1974 wieder ihre Türen. Damit kehrte nach einem halben Jahrhundert ein Stück Normalität und Hoffnung in die Gemeinschaft zurück.
Kindergarten und Grundschule in Rizokarpaso: Sie wurden Ende des Schuljahres 2024/2025 wieder eröffnet. Besonders für junge Familien ist dies ein Meilenstein.
Kormakitis Grundschule und Kindergarten: Bereits im Schuljahr 2023/2024 wurde die Grundschule im Dorfzentrum der maronitischen Gemeinde wieder in Betrieb genommen, gefolgt vom Kindergarten im Jahr 2025.
Diese Entwicklungen sind nicht nur bildungspolitische Maßnahmen, sondern ein Signal, dass der zyprische Staat seine enclaved Communities nicht vergisst. Bildung wird hier zur Lebensader für eine Bevölkerung, die seit Jahrzehnten in Isolation lebt.
4. Bildung als Identitätssicherung in besetzten Gebieten
Die Ministerin betonte, dass Bildung in den Enklaven mehr sei als Unterricht: „Sie ist ein Mittel zur Bewahrung der kulturellen Identität, der Sprache und des religiösen Lebens.“ Gerade weil andere Freiheiten massiv eingeschränkt seien, komme Schulen eine herausragende Bedeutung zu.
Ein spezielles Gesetz stellt sicher, dass Lehrkräfte, die selbst aus den enclaved Gemeinschaften stammen, bei der Stellenvergabe bevorzugt berücksichtigt werden. Dies geschieht nach einem abgestuften Punktesystem, das sowohl fachliche Qualifikation als auch persönliche Herkunft einbezieht.
Darüber hinaus genießen Schülerinnen und Schüler aus den Enklaven eine Sonderregelung: Sie dürfen ohne Aufnahmeprüfungen an der Universität Zyperns studieren. Damit wird ihnen trotz widriger Lebensumstände eine akademische Laufbahn ermöglicht.
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Mehr Informationen5. Politischer und historischer Kontext
Die Wiedereröffnung von Schulen in den Enklaven ist nicht isoliert zu betrachten. Sie steht im Kontext des ungelösten Zypernkonflikts. Seit 1974 ist die Insel geteilt. Der Norden befindet sich unter türkischer Besatzung, während die international anerkannte Republik Zypern nur den Süden kontrolliert.
Trotz zahlreicher Verhandlungsrunden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ist bislang keine politische Lösung erzielt worden. Das Leben der verbliebenen enclaved Greek Cypriots ist von Einschränkungen geprägt – angefangen bei Bewegungsfreiheit bis hin zu religiöser Unterdrückung.
Dass unter diesen Umständen wieder Schulen eröffnet werden konnten, ist ein diplomatischer Erfolg und ein Symbol für den Widerstandswillen der Gemeinschaft. Bildung wird damit zu einem Instrument der kulturellen Selbstbehauptung.
6. Fazit: Bildung als Investition in Zukunft und Identität
Die Rede von Bildungsministerin Michaelidou auf der Weltkonferenz der zyprischen Diaspora verdeutlichte eindrücklich, dass Zypern Bildung als strategisches Instrument begreift – nicht nur für wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch für die Sicherung kultureller Kontinuität.
Ob durch die Förderung griechischsprachiger Schulen in der Diaspora, durch Zuschüsse für Familien oder durch die Wiedereröffnung von Schulen in den Enklaven: Alle Maßnahmen verfolgen dasselbe Ziel – den Erhalt der zyprischen Identität über Grenzen und politische Hindernisse hinweg.
„Bildung ist unser stärkstes Band zur Diaspora und unser wirksamstes Mittel, die enclaved Gemeinschaften zu unterstützen“, resümierte Michaelidou.
Die Botschaft ist klar: Zypern lässt weder seine Kinder im Ausland noch die vergessenen Gemeinschaften im besetzten Norden allein.
Quelle: Cyprus News Agency (CNA)