Die Wohnraumfrage ist längst nicht mehr ein rein nationales Problem, sondern eine der drängendsten sozialen Herausforderungen in der gesamten Europäischen Union. Hohe Immobilienpreise, steigende Mieten und soziale Ungleichheiten machen die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu einem europäischen Kernthema.
Im Zentrum dieser Bemühungen steht Zypern, das im Jahr 2026 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und die Ausarbeitung einer europäischen Strategie für bezahlbares Wohnen aktiv vorantreibt. Innenminister Constantinos Ioannou traf dazu am Dienstag in Brüssel den EU-Kommissar für Energie und Wohnen, Dan Jørgensen, um die nächsten Schritte zu koordinieren.
1. Wohnen als europäische Herausforderung
In seinen Erklärungen nach dem Treffen betonte Ioannou:
„Wir haben die Wohnungsfrage als europäische Herausforderung diskutiert, die koordinierte und gezielte Maßnahmen erfordert, um wirksam bewältigt zu werden.“
Die Europäische Kommission habe bezahlbaren Wohnraum strategisch als zentrale politische Priorität verankert. Er werde nicht nur als wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern als grundlegendes soziales Recht verstanden – entscheidend für die soziale Kohäsion in der EU.
2. Der Europäische Plan für bezahlbares Wohnen
Ein zentrales Projekt ist der Europäische Plan für bezahlbares Wohnen, der derzeit unter der dänischen Ratspräsidentschaft in einer öffentlichen Konsultation vorbereitet wird. Ziel ist es, den Plan im März 2026 während der zyprischen Ratspräsidentschaft abzuschließen.
Kernelemente des Plans:
Analyse der Wohnungsmärkte in allen Mitgliedstaaten.
Harmonisierung von Standards für bezahlbaren Wohnraum.
Integration in die EU-Kohäsionspolitik 2028–2035 als eigenständige thematische Priorität.
Entwicklung einer Roadmap für den Zeitraum 2028–2035, die nationale und europäische Förderinstrumente bündelt.
3. Rolle der zyprischen EU-Ratspräsidentschaft
Ioannou erklärte, dass Zypern als Ratsvorsitzende im ersten Halbjahr 2026 das Ziel habe, als „Katalysator für die Verabschiedung einer kohärenten europäischen Strategie für bezahlbares Wohnen“ zu wirken.
Ein bedeutendes Ereignis wird die Informelle Ministertagung in Zypern im Mai 2026 sein. Dort sollen:
die Ergebnisse des Europäischen Plans vorgestellt,
eine Roadmap bis 2035 definiert,
und die Integration des Themas in die neue Kohäsionspolitik vorbereitet werden.
Damit positioniert sich Zypern als Impulsgeber für eine EU-weite Lösung.
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Mehr Informationen4. Unterstützung durch die Europäische Kommission
Kommissar Dan Jørgensen dankte Ioannou ausdrücklich, dass Zypern das Thema Wohnen so weit oben auf die Prioritätenliste seiner Ratspräsidentschaft setzt.
Er betonte:
Bezahlbarer Wohnraum sei auch auf EU-Ebene eine zentrale Priorität.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe persönlich gefordert, den Plan noch vor Ende des Jahres 2025 fertigzustellen.
Die Kommission werde alle notwendige Unterstützung leisten und eng mit Zypern zusammenarbeiten – sowohl auf gesetzgeberischer Ebene als auch auf technokratischer Ebene.
Dies verdeutlicht, dass Wohnen als europäische Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird.
5. Politischer und sozialer Kontext
a) Steigende Wohnkosten
In nahezu allen EU-Staaten steigen Mieten und Kaufpreise seit Jahren deutlich. Gründe sind u. a.:
wachsende Nachfrage in urbanen Zentren,
begrenzte Verfügbarkeit von Bauland,
steigende Baukosten durch Inflation und Energiepreise.
b) Auswirkungen auf die Gesellschaft
Soziale Spaltung zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Haushalten.
Abwanderung junger Menschen, die sich Wohnungen in den Städten nicht leisten können.
Gefahr wachsender Wohnungslosigkeit in mehreren Mitgliedstaaten.
c) Europäische Dimension
Da Wohnungsfragen eng mit Binnenmarkt, Energieeffizienz, Sozialpolitik und Regionalförderung verknüpft sind, liegt eine europäische Koordination nahe.
6. Zypern als Fallbeispiel
Auch Zypern selbst ist stark betroffen:
Steigende Immobilienpreise in Nikosia, Limassol und Paphos belasten insbesondere junge Familien.
Begrenztes Angebot trifft auf hohe Nachfrage, nicht zuletzt durch internationale Investoren.
Parallel besteht Druck, die Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden umzusetzen, was Baukosten weiter erhöht.
Vor diesem Hintergrund ist es für die zyprische Ratspräsidentschaft nicht nur eine europäische Pflicht, sondern auch ein eigenes nationales Anliegen, tragfähige Lösungen auf den Weg zu bringen.
7. Chancen durch die Kohäsionspolitik 2028–2035
Die Integration von bezahlbarem Wohnraum als eigenständige Priorität in die neue Kohäsionspolitik könnte mehrere Vorteile bringen:
Gezielte EU-Förderprogramme für sozialen und erschwinglichen Wohnungsbau.
Koordinierte Investitionen in nachhaltige Bauweisen und energieeffiziente Sanierungen.
Stärkung der regionalen Entwicklung durch Wohnbauprojekte in strukturschwachen Regionen.
Damit könnte Wohnen künftig ähnlich wie Themen der Verkehrsinfrastruktur oder Energiepolitik als Querschnittsaufgabe europäischer Kohäsionspolitik etabliert werden.
Fazit
Das Treffen zwischen Innenminister Constantinos Ioannou und EU-Kommissar Dan Jørgensen in Brüssel markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für bezahlbares Wohnen.
Zypern übernimmt dabei eine zentrale Rolle:
Als Ratspräsident im Jahr 2026 will es die Abschlüsse und Weichenstellungen begleiten.
Als betroffenes Land bringt es eigene Erfahrungen und Dringlichkeiten in den Prozess ein.
Mit der geplanten Ministertagung in Nikosia im Mai 2026 wird Zypern zum Schauplatz einer Schlüsseldebatte, deren Ergebnisse weit über die Insel hinausreichen.
Bezahlbares Wohnen wird damit zu einem europäischen Gemeinschaftsprojekt, das sowohl die soziale Gerechtigkeit als auch die Zukunftsfähigkeit der EU maßgeblich beeinflussen wird.
Quelle: Cyprus News Agency (CNA)