Einleitung: Eine Insel im Wandel – von Energiearmut zur Energiesouveränität
Zypern befindet sich mitten in einer der größten Energietransformationen seiner Geschichte. Während andere europäische Staaten mit gewaltigen Übertragungsnetzen ihren Strom über Grenzen austauschen, muss der Inselstaat seine Energie selbst erzeugen, speichern und verteilen. Ein Luxus ist das nicht – eher eine Verpflichtung, die Zypern zwingt, innovativer zu sein als so mancher kontinentale Nachbar.
Doch gerade diese Herausforderung hat zu einer ambitionierten Energiestrategie geführt, die der Minister für Energie, Handel und Industrie, George Papanastasiou, bei der Präsentation des EAC-Jahresberichts 2024 eindrucksvoll skizzierte: mehr Speicherkapazitäten, mehr erneuerbare Energien, modernere Netze, niedrigere Preise und ein energetisch unabhängigeres Zypern.
Kurz gesagt: Die Insel stellt die Weichen für eine Zukunft, in der Strom nicht nur zuverlässig und sauber ist, sondern auch bezahlbar. Ein Ziel, das in Deutschland ja beinahe schon als utopisch gilt – dort würde man sich ja manchmal schon über stabile Preise ohne Überraschungsmomente freuen.
2. Energiespeicherung als Gamechanger: 120 MW bis Juni 2026 – und 600 MW bis 2030
2.1. Startschuss für ein neues Zeitalter der Energieflexibilität
Die wichtigste Botschaft des Ministers: Bis Juni 2026 wird das neue dezentrale Energiespeichersystem mit einer Kapazität von 120 MW vollständig einsatzbereit sein. Es ist der erste zentrale Baustein, um der Insel Stabilität, Flexibilität und Versorgungssicherheit zu geben.
Und: Das System wird transparent im Wettbewerbssystem betrieben – ein technokratischer Satz, der übersetzt bedeutet: Endlich Ordnung im Strommarkt und keine Graubereiche mehr zwischen Preisgestaltung, Netzstabilität und Marktmechanismen.
2.2. Zyperns Speicherbedarf explodiert
Laut dem Übertragungsnetzbetreiber sind bis 2030 mindestens 600 MW Speicher notwendig, um:
erneuerbare Energien voll zu nutzen,
Netzschwankungen auszugleichen,
Abregelungen (Curtailments) zu reduzieren,
und die Strompreise zu dämpfen.
Die gute Nachricht: Der Ausbau hat begonnen – und zwar entschlossen.
3. Energiearmut: Eine Herausforderung, die Zypern ernst nimmt
Der Minister wies auf eine weniger erfreuliche Entwicklung hin: Die Energiearmut stieg 2023 auf 66.700 Haushalte – etwa 17,5 % aller Familien auf der Insel. Ein Wert, der über dem EU-Durchschnitt (10,6 %) liegt.
Besonders eindrücklich: 19,3 % der Haushalte gaben an, ihre Wohnung im Winter nicht ausreichend heizen zu können.
Die Gründe:
steigende Energiepreise,
veraltete Gebäudestruktur,
fehlende Energieeffizienz in Altbauten,
und natürlich der geopolitische Druck auf den Energiemarkt.
Dass die Regierung dieses Thema ausdrücklich priorisiert, ist nicht nur sozialpolitisch relevant, sondern auch eine Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilität.
4. Die große Modernisierung: Netzausbau, Digitalisierung und neue Kraftwerkskapazitäten
4.1. Modernisierung des Übertragungs- und Verteilnetzes
Die EAC investiert massiv in:
den digitalen Umbau des Netzes,
den Ausbau neuer Umspannwerke,
intelligente Netztechnologien,
und die Vorbereitung auf ein erneuerbares Energiesystem.
Ein modernisiertes Netz bedeutet: mehr Stabilität, mehr Kapazität, bessere Integration von Solarstrom.
4.2. Modernisierung des Kraftwerks Vasilikos
Der Energieminister hob besonders hervor:
Installation einer neuen Gaskraftwerks-Einheit,
Umrüstung bestehender Einheiten auf Erdgas-Betrieb,
höhere Effizienz und niedrigere Emissionen.
Damit bewegt sich Zypern in Richtung einer Energieversorgung, die nicht mehr primär auf Diesel und Schweröl setzt – ein Fortschritt, der nicht nur die Umwelt, sondern auch die Geldbörse der Verbraucher entlasten wird.
5. Photovoltaik-Offensive: Neue Solarparks bringen günstigeren Strom
EAC-Vorsitzender George Petrou machte unmissverständlich klar: Solarenergie ist der wichtigste Eckpfeiler der Energiezukunft Zyperns.
5.1. Neue Parks bereits erfolgreich gestartet
Zwei Anlagen wurden soeben ans Netz angeschlossen:
12 MW – Akrotiri, Limassol
8 MW – Achera, Nikosia
Die Kosten der erzeugten Energie liegen bei rund 5 Cent pro kWh – ein Wert, der viele europäische Länder neidisch macht.
5.2. Mehr Solarenergie in der Pipeline
Weitere Projekte befinden sich:
in der Planung,
im Genehmigungsprozess,
oder in Vorbereitung für den Bau.
Absehbar ist: Das PV-Portfolio der EAC wird bis 2026/2027 deutlich wachsen – und damit auch die Möglichkeit, Strompreise nachhaltig zu senken.
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6. Energiespeicherung: Das fehlende Puzzle-Stück wird ergänzt
6.1. Warum Speicherung für Zypern überlebenswichtig ist
Als isoliertes Stromnetz kann Zypern nicht exportieren, wenn Stromüberschüsse entstehen – und das führt aktuell zu Abregelungen von Solarstrom. Eine absurde Situation: Die Sonne scheint, aber der Strom kann nicht genutzt werden.
Petrou formulierte es treffend:
„Speicherung ist der Schlüssel, weil sie Stabilität schafft, Kosten senkt und die grüne Energie vollständig nutzbar macht.“
6.2. Projekte, die bereits laufen
Der Übertragungsnetzbetreiber installiert drei große Batteriesysteme an zentralen Umspannwerken.
Die EAC plant zusätzliche Speicherlösungen parallel zum Netzausbau.
Damit wird Zypern erstmals in der Lage sein, Sonnenergie zeitversetzt einzusetzen – ein Paradigmenwechsel.
7. Infrastrukturprojekte von nationaler Bedeutung
Die EAC spielt eine zentrale Rolle bei:
7.1. LNG-Terminal in Vasilikos
Ein Projekt, das:
die Energieunabhängigkeit stärkt,
Gasimporte diversifiziert,
und langfristig für günstigere Strompreise sorgen soll.
7.2. Desalination für Wassersicherheit
Die Entsalzungsanlage in Vasilikos liefert:
60.000 m³ Wasser täglich,
eine enorme Entlastung für Trockenperioden,
und eine stabile Versorgung für die Bevölkerung.
8. E-Mobilität: Ladepunkte für eine moderne Verkehrslandschaft
Zypern beschleunigt die Elektrifizierung des Straßenverkehrs:
Bereits 35 Dual-Ladestationen aktiv,
darunter vier Schnellladestationen,
bis 2026 sollen 40 neue Stationen entstehen,
inklusive Abdeckung der Bergregionen.
Damit wird E-Mobilität erstmals flächendeckend möglich – ein Schritt, der sowohl Wirtschaft als auch Tourismus attraktiviert.
9. Die vier strategischen EAC-Pfeiler – ein Zukunftsprogramm für die Insel
1. Klimaschutz
Mehr erneuerbare Energien, weniger Emissionen.
2. Bezahlbare Energie
Neue Technologien sollen Strompreise langfristig reduzieren.
3. Energiesicherheit
Speicher, Gas, Netzmodernisierung.
4. Kundenservice
Digitalisierung, smarte Services, schnellerer Support.
10. Fazit: Zyperns Energiezukunft ist ambitioniert – und realistisch
Zypern setzt nicht auf halbherzige Pilotprojekte, sondern auf ein strukturiertes, langfristiges Modernisierungsprogramm. Der Mix aus:
Energiespeichern,
Photovoltaik-Boom,
Netzmodernisierung,
Gaskraftwerken,
LNG-Terminal,
E-Mobilität,
und sozialer Energiepolitik
zeigt klar: Die Insel will energetisch unabhängig, klimafreundlich und wirtschaftlich wettbewerbsfähig werden.
Und im Gegensatz zu manchen europäischen Staaten macht Zypern keine Energiepolitik nach Tageslaune, sondern Schritt für Schritt – mediterran gelassen, aber zielstrebig.
